Was war Geschehen
Es ist die Nacht auf den 23. November 1992, die das Gesicht der beschaulichen „Eulenspiegel-Stadt“ Mölln in Schleswig-Holstein radikal verändert. Der damals 19-jährige Lars C. und der 25-jährige Michael P. werfen Brandsätze in zwei Häuser in der Ratzeburger Straße und der Mühlenstraße, die von türkischen Familien bewohnt werden. Im Haus in der Mühlenstraße fallen zwei Mädchen dem Feuer zum Opfer – die zehnjährige Yeliz Arslan und die 14-jährige Ayse Yilmaz – sowie die 51 Jahre alte Bahide Arslan. Sie stirbt bei dem Versuch, die beiden Mädchen zu retten. Ihren siebenjährigen Enkel Ibrahim Arslan kann sie zuvor noch in nasse Tücher wickeln und bewahrt ihn so vor dem Tod in den Flammen.
Mit dem Anschlag von Mölln erreicht die Gewalt gegen Minderheiten eine neue Stufe: Es ist der erste rassistisch motivierte Anschlag im wiedervereinten Deutschland, bei dem Menschen sterben. Es folgen die tödlichen Attacken im nordrhein-westfälischen Solingen am 29. Mai 1993, bei denen fünf Menschen ums Leben kommen. Viele Türken fragen sich in dieser Zeit, ob Deutschland für sie noch Heimat sein kann. Die Bewohner der in Brand gesetzten Häuser in Mölln hatten schon seit Jahren in Deutschland gelebt, eines der getöteten Mädchen war in Deutschland zur Welt gekommen. Das andere Mädchen hatte seine Großmutter besucht.
Die Dauerschleife der Rechten
Erst Anfang der Neunziger, als bundesweit Brandsätze flogen und in Mölln ihr tödliches Ende nahmen. Dann 2015, als Geflüchtete aus Syrien kamen, als Pegida, AfD hetzten und es mehr als 1.000 Straftaten gegen Unterkünfte gab, im Folgejahr fast noch mal so viel. Und nun, da Ukrainer*innen Schutz vor Krieg suchen und Menschen aus anderen Ländern, folgt die nächste Gewaltwelle wenn die Stimmung kippt?
Doch noch ist die Stimmung nicht gekippt. In einer jüngsten Dezim-Befragung zeigte sich knapp jeder zweite Befragte Person weiter offen dafür, sich ehrenamtlich für ukrainische Geflüchtete zu engagieren. Und während 1992 nach dem Mölln-Anschlag Kanzler Kohl (CDU) eine Teilnahme an der Trauerfeier als „Beileidstourismus“ ablehnte, reiste nach Bautzen der sächsische Innenminister nach groß Strömkendorf die Bundesinnenministerin.
Keinen Fuß breit den Faschisten
Die Befunde der aktuell veröffentlichte Autoritarismusstudie der Universität Leipzig zeigen die Aufgabe der Antifaschist*innen deutlich. So erklärte fast ein Drittel der Befragten, „Ausländer“ kämen nur hierher, „um unseren Sozialstaat auszunutzen“. Fast ebenso viele sehen die Bundesrepublik „durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“. Und nicht weniger beunruhigend: Jeder vierte Ostdeutsche erklärte sich bereit, die eigenen Interessen mit Gewalt durchzusetzen. Jeder fünfte Westdeutsche akzeptiert den Einsatz von Gewalt durch andere – beide Werte stiegen zuletzt an.
Mehr Faustrecht statt demokratischer Aushandlung. Wohin das Führen kann, haben wir schon einmal gesehen: „Taten statt Worte“ war auch der Leitspruch des NSU.
All das zeigt: Rassismus, braucht keine Neonazis oder erklärte Faschist*innen – die Mitte beherrscht ihn auch. Die steten Wahlerfolge der AfD in den Parlamente weisen darauf hin.
Auf die Frage: Warum der Hass auch nach Mölln nicht endete, wie sich danach ein mordender NSU bilden konnte, fragte die taz Ibrahim Arslan einmal mit den Ergebnis. „Weil es in diesem Land einen Rassismus gibt, der alltäglich ist“.
Für unsere Demokratie ist es unabdingbar, das sich der Antifaschist*innen unermüdlich gemeinsam gegen die großen Wellen von Rechten Populismus stellen.
Allerta!